Will The Vampire People Please Leave The Lobby?

Ich „lurke“ bei so mancher Online-Community, bei manchen schon seit mehr als einer Dekade. Seien es Mailing-Listen, Newsgroups oder Webforen: Überall habe ich vor allem aus Zeitgründen nie sonderlich viel selbst gepostet, ich lese viele Foren/Gruppen auch eher im „Vorbeigehen“ und überspringe auch hie und da mal ein paar Wochen oder Monate. Aber dennoch hat man nach einigen Jahren das möglicherweise trügerische Gefühl, die wesentlichen Protagonisten recht gut zu kennen — alleine durch diese öffentlichen Äußerungen in diesem Medium, das niemals vergisst. Und man bekommt je nach Form der Community „nebenbei“ viel mit: Hochzeiten und Scheidungen, Geburten und Todesfälle, neue Jobs und plötzliche Arbeitslosigkeit. Viele von euch haben bestimmt schon ähnliche Erfahrungen in Online-Communities gemacht, sei es als passiver Beobachter oder aktiv Beteiligte.

vampirepeople.jpgEine der Communities, die ich passiv verfolge, sind die „Buffistas“. Mit Wurzeln in dem legendären WWW-Forum „The Bronze“ des TV-Networks WB für die Serie „Buffy“ sind die Buffistas eine Art Fan-Community für diverse Produktionen des Whedonverse. Eine der eifrigsten Mitwirkenden der „Buffistas“ hat im Juli ihr erstes Buch veröffentlicht, mit dem originellen Titel „Will The Vampire People Please Leave The Lobby?“ und dem etwas Buzzwort-verdächtigen Beititel „True Adventures in Cult Fandom„. Und da ich neugierig war, habe ich amazon mal wieder ein paar Euros gespendet und mir das Büchlein als kleine Sommerlektüre angeschafft.

Die Autorin, Allyson Beatrice, ist aber keineswegs eine hauptberufliche Schriftstellerin, sie kam eher durch mehrere Zufälle und Bekanntschaften mit den „richtigen“ Leuten zu dieser Gelegenheit. Denn eigentlich ist Allyson eine Verwaltungsangestellte, die zum Beginn des Jahrzehnts aus Boston nach Los Angeles umzog, um ein neues Leben zu beginnen. Zunächst in der „Fremde“ auf sich alleine gestellt, fand sie im „The Bronze“ und später bei den „Buffistas“ eine Art virtuellen Freundeskreis. In ihrem ersten Buch hat sie nun eine Sammlung von ausgewählten Anekdoten veröffentlicht, in denen sie ihre teilweise amüsanten, teilweise ernsten Erlebnisse in und mit dem Buffy- und Firefly-Online-Fandom aus den letzten Jahren aufarbeitet.

Allyson beschreibt in siebzehn weitestgehend eigenständigen Kapiteln dabei recht unterschiedliche Ereignisse, die aber alle eines gemeinsam haben: Sie handeln von den neuen Freundschaften, die sie über das WWW geschlossen hat, über skurrile Situationen mit Menschen innerhalb und außerhalb der Fan-Community. Sie beschreibt, wie sich zunächst reine Online-Beziehungen rasch auch bis ins „reale Leben“ (TM) ausweiteten. Sie erzählt von den „Save Firefly“-Aktionen (die sie zum Teil maßgeblich mitorganisierte), wie sie am Steuerknüppel von „Serenity“ saß, wie sie ein neues Zuhause für Joss Whedons Katze fand und wie ein Haufen Leute, die sich nur durch das Internet kannten, auch im Offline-Leben enge Freundschaften knüpften und gar einige tausend Dollar sammelten, um einer Studentin aus Israel einen USA-Urlaub zu sponsern.

Aber auch wenn es auf den ersten Blick danach aussehen mag, Allyson ist keine Angeberin im Stil von „Schau mal, wen ich alles kenne“, die nun auf einem Egotrip eine kleine „Starfucker-Biographie“ veröffentlicht. Im Gegenteil, sie ist selbst immer wieder irritiert, wie es sein kann, dass beispielsweise Tim Minear ausgerechnet sie zu seinen besten Freunden zählt. Sie legt auch viel Wert darauf, eben kein selbstverliebter „Starfucker“ zu sein, der sich über die Anerkennung von Berühmtheiten definiert und sich dadurch für einen besseren Fan oder einen Fan erster Klasse hält. Sie ist sich durchaus bewusst, dass ihre Erzählungen und ihre enge Bekanntschaft mit den „Stars“ auch Neid hervorrufen können — was sie auch in ihren Erzählungen öfters mit einer gesunden Portion Selbstironie thematisiert.

In Allysons Buch geht es ferner auch um das Aufeinandertreffen verschiedener Generationen und Vorurteile, wenn es um Online-Bekanntschaften geht. Jeder kennt wohl diese Stereotypen, die bei dem Stichwort Internet-Communities vor allem als erstes eine Assoziation mit Kinderschändern, Identitätsdieben und ähnlichem Gesindel herstellen und Webforen manchmal auch gerne als eine Anhäufung von anonymen und irren Spinnern darstellen, die sich zum gegenseitigen Kannibalisieren verabreden. Und mehr als eine Augenbraue wird gehoben, wenn darüber gesprochen wird, wie sich erwachsene (und wildfremde) Menschen zu „Conventions“ zu ihren Lieblings-Serien treffen.

Doch das Internet besteht eben in Wirklichkeit nicht nur aus Kriminellen — Allyson und die Buffistas sind eben ein Beispiel dafür, wie ganz „normale“ (wenn auch vielleicht manchmal eher introvertierte) Menschen in Online-Foren auf Gleichgesinnte stoßen und ernsthafte Freundschaften bilden, füreinander da sind und nach dem Kennenlernen „im Netz“ hin und wieder sogar heiraten und Familien gründen. Ganz ohne Kannibalisieren ;-).

Wenn auch Allysons Geschichten sicherlich nicht von weltbewegender Relevanz sind, und so manches Kapitel auch nur mäßig interessant ist, so liegt die Stärke von „Vampire People“ in Allysons sehr unterhaltsamen Schreibstil. Sie hat eine farbenfrohe Ausdrucksweise und liebt es, trockene Situationen mit skurrilen Vergleichen und Metaphern zu illustrieren. Das Buch soll schließlich auch keine „schwere“ Lektüre sein, sondern steht im Buchladen schon richtig im „Humor“-Regal.

Insbesondere Internet-affine Leute, die mit Online-Communities quasi „aufgewachsen“ sind, werden in „Vampire People“ nicht viel Neues entdecken. Oder aber vielleicht den Reiz gerade darin finden, viele ähnliche Erfahrungen selbst gemacht zu haben. Eventuell ist dieses Büchlein sogar mal eine lohnenswerte Lektüre für die Stars vor der Kamera von Fernsehserien, damit sie die Beweggründe so mancher Fan-Communities besser verstehen können ;-). „Will The Vampire People Please Leave The Lobby?“ dürfte somit nicht für jedermann interessant sein und nur weil ich hier eine Review schreibe, heißt das nicht auch automatisch, dass ich eine Kauf-Empfehlung aussprechen will, aber der ein oder andere könnte hier vielleicht eine locker-leichte und vor allem unterhaltsame Lektüre für den Strandurlaub finden. Ohne jeden Zweifel qualifiziert sich dieses Büchlein jedenfalls für einen der vorderen Ränge im Wettbewerb um den ausgefallensten Buchtitel 2007.

Allyson hat eine eigene Website und Blog, dort kann man sich auch einen Eindruck von ihrem Schreibstil verschaffen und Auszüge aus ihrem Buch lesen. Oder man schaut mal bei buffistas.org vorbei. Amazon.de hat das Buch vorrätig, es kostet so um die 12 Euro.

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