Moving Wallpaper / Echo Beach

Auf den ersten Blick ist die neue britische Serie „Echo Beach“ auf ITV nur eine x-beliebige weitere Soap, die gerne ein Schmachtfetzen von „The O.C.“-Kaliber wäre, aber schon im Ansatz kläglich scheitert. Randvoll mit schönen Menschen, typischen 08/15-Soap-Intrigen und viel Herzschmerz erfüllt sie so ziemlich alle Kriterien, die solch eine Show selbst im gegenwärtigen Streik-Notstand in meinen Augen wenig attraktiv macht. Anders gesagt: Sowas würde ich mir nie antun.

Aber man soll ja niemals nie sagen. Der unverhoffte Reiz von „Echo Beach“ kommt aus der anderen neuen Serie, die jeden Freitag direkt vor „Echo Beach“ ebenfalls auf ITV läuft: „Moving Wallpaper“. Denn in dieser Comedy steht der fiktionale Entstehungsprozess von „Echo Beach“ im Mittelpunkt — also eine Serie über die Produktion einer Serie. Die Mockumentary „Moving Wallpaper“ ist dabei alles andere als ein ödes „Making Of“ — die Show ist genauso ein Produkt der Phantasie von Autoren wie „Echo Beach“, nimmt aber bei dieser Gelegenheit das ganze TV-Business herrlich unverkrampft auf die Schippe. In jeder Episode von „Moving Wallpaper“ wird dabei die vermeintliche Produktion der darauffolgenden Folge von „Echo Beach“ begleitet: Eine Schauspielerin bekommt nur deshalb in „Echo Beach“ eine (zunächst vollkommen sinnlose) Sprechrolle weil sie zuvor dem Produzenten in „Moving Wallpaper“ ein „unwiderstehliches Angebot“ machte. Warum in Folge vier plötzlich keine Autoren mehr in den Opening Credits von „Echo Beach“ genannt werden, erfuhr der Zuschauer zuvor in „Moving Wallpaper“.

Ein gefundenes Fressen sind die Shows auch insbesondere für Detail-Freaks, die auf Kleinigkeiten in den beiden miteinander verknüpften Serien achten. Da wandern Ausstattungsgegenstände von einer Show in die nächste, bizarre Ereignisse im Leben der Autoren in „Wallpaper“ bilden die Grundlage für nicht minder bizarre Geschehnisse in „Echo Beach“, Schauspieler-Marotten werden in „Moving Wallpaper“ thematisiert und haben ihre Auswirkungen auf den Storyverlauf von „Echo Beach“ und schlichtweg erklären sich viele der übertriebenen (aber für Soaps durchaus normale) Charakterentwicklungen in „Echo Beach“ durch den teilweise chaotischen Entstehungsprozess in „Moving Wallpaper“.

Die Attraktivität von „Echo Beach“ steht und fällt logischerweise mit der Stärke der „Mutterserie“ „Moving Wallpaper“. Ob „Echo Beach“ dabei den „vererbten“ Unterhaltungswert über die vollen 12 Episoden der ersten Staffel halten kann, muss sich erst noch zeigen — für sich alleine genommen ist die Serie jedenfalls nicht sonderlich interessant (außer vielleicht für eingefleischte Soap-Fans). „Moving Wallpaper“ hingegen ist auch ohne „Echo Beach“ eine höchst unterhaltsame Satire auf das TV-Business, die mal wieder zeigt, dass die Briten einfach ein gutes Händchen für diese Art der bitterbösen Unterhaltung haben.

Die Kombination von „Moving Wallpaper“ und „Echo Beach“ ist in meinen Augen ein hervorragendes Beispiel für ein gewitztes Serienexperiment. Hier haben sich Autoren und Sender mal ‚was neues getraut, altbekannte Formate auf eine gelungene Weise aufgebrochen und miteinander verknüpft. Was wiederum die schon endlos wiedergekäute Frage aufwirft: Warum geht sowas nicht auch in Deutschland? Im Gegensatz zu amerikanischen Serien dürfte bei diesem ITV-Doppelpack auch der finanzielle Rahmen eher mit deutschen Budgets vergleichbar sein. Naja, würde wahrscheinlich eh wieder niemand schauen. Zudem: Auch in UK gehen die Einschaltquoten für beide Serien derzeit leider konstant zurück, eine Fortsetzung (beider Serien) in eine zweite Staffel wird zunehmend unwahrscheinlicher.

Update 2009: „Moving Wallpaper“ wurde für eine weitere Staffel mit 6 Episoden verlängert, die im Frühjahr 2009 ausgestrahlt wurde und nur noch schwache Quoten einfuhr. Es wird keine dritte Staffel geben.

„Moving Wallpaper“-DVDs bei amazon.co.uk.

8 Antworten

  1. 1
    Anubiz schrieb:

    moving wallpaper klingt so nach studio 60 prinzip 🙂

  2. 2
    mb schrieb:

    Das klingt nach einer Weiterentwicklung von „Grosse Pointe“. (Unbedingte Empfehlung!)

    Aber man muss leider zugeben, dass solche Konzepte wirklich extrem Nische sind und der Quotenflop quasi vorprogrammiert ist.

  3. 3
    sab schrieb:

    Das klingt nach einer Weiterentwicklung von “Grosse Pointe”. (Unbedingte Empfehlung!)

    Stimmt (auch was die Empfehlung angeht). Wobei „Moving Wallpaper“ halt auch noch eine genüssliche Portion typisch britischen Humor draufpackt.

  4. 4
    Trapnamara schrieb:

    Zweite Staffel für „Moving Wallpaper“! Über „Echo Beach“ ist noch keine richtige Entscheidung gefallen.

    „Moving Wallpaper“ hat sich zu einer meiner lieblingscomedy gemäusert.
    Bin ich der einzige oder sieht ihr auch Parallelen zwischen Ben Millers Jonathan und David Brent (Ricky Gervais, The Office?

  5. 5
    sab schrieb:

    Zweite Staffel für “Moving Wallpaper”!

    Sehr schön. Die Show produziert in der Tat immer wieder eine amüsante halbe Stunde. „Echo Beach“ habe ich mittlerweile aber fallengelassen — das Suchen der versteckten Referenzen alleine hat mein Interesse an der 08/15-Soap nicht am Leben erhalten können.

    Bin ich der einzige oder sieht ihr auch Parallelen zwischen Ben Millers Jonathan und David Brent

    Doch, da ist eine gewisse Ähnlichkeit. Allerdings war der „Peinlichkeits“-Faktor bei David Brent noch eine ganze Ecke höher. Jonathan ist oftmals einfach nur arrogant.

  6. 6
    mb schrieb:

    So. Gerade (beide!) Finals angesehen. War wirklich höchst amüsant. Auch wenn mir die Soap als solches oft nicht wie eine Satire vorkam. Dafür wirkte sie zu ernst gemeint.

    Den interessantesten Plot der Behind The Scenes Serie haben sie leider sofort fallengelassen. Immerhin wurde das ganze Konzept von Echo Beach im Pilot umgeworfen. Ein bißchen mehr Rebellion habe ich von den Autoren und teilweise sogar „Creators“ schon erwartet. Aber man hat sich lieber komplett für Comedy entschieden – auch recht.

    Leider lag ich auch richtig mit meiner Quotenprophezeiung. Von den anfangs 5 Millionen Zuschauern blieben weniger als die Hälfte bis zum Schluss dran. Deswegen wohl auch nur ein Renewal für Moving Wallpaper – des Ansehens wegen.

    Ich tippe mal, sie werden MW zurückbringen und auf eine Stunde verlängern. Sie könnten dann Echo Beach im Rahmen von Dreharbeiten und Dailies einstreuen. Und so nicht nur den Writers Room sondern sämtliche Aspekte der Produktion begleiten. Eine Art Merger der Shows, dann wirds ganz wie Grosse Pointe. 😉

  7. 7
    sab schrieb:

    Die Soap war wohl auch wirklich ernst gemeint — man wollte damit in der Tat das „übliche“ Soap-Publikum ansprechen. Leider verliefen sich somit die Anspielungen / Rückbeziehungen in „Echo Beach“ zurück auf die „Wallpaper“-Show im Laufe der Episoden und „Echo Beach“ wurde (zumindest in meinen Augen) dadurch unattraktiver und ich habe schließlich nur noch „Moving Wallpaper“ angeschaut.

    Und ja, diese Show war bis zuletzt große Unterhaltung und der Schluss ist der perfekteste Cliffhanger in der TV-Geschichte.

    Ich brauche „Echo Beach“ nicht und ich hoffe, dass ITV zumindest „Moving Wallpaper“ fortführt — aber ich glaube es wird sehr schwer, die Existenz von „Wallpaper“ ohne „Echo Beach“ zu rechtfertigen (umgekehrt wäre es problemlos gegangen). Dass sie es in eine full-hour erweitern oder beide Shows zusammenfassen, wäre zwar die ideale Lösung, ich glaube aber nicht dran. Bei so mittelmäßigen Quoten wäre das zu teuer.

  8. 8
    Rike schrieb:

    Nichtsahnend habe ich das Web nach weiteren Infos zu MV und EB befragt und da lande ich bei einem deutschen Blog. Wow!

    Ich bin eben mit der DVD-Box durch und muss zugeben, dass ich sehr positiv überrascht war. Viel hatte ich mir von diesem neuen TV-Format nicht versprochen, wurde es doch mehr oder weniger in der englischen Presse zerrissen.

    MW ist definitiv um Längen sehenswerter (und der Humor ist einfach genial!) als EB, aber das Gesamtkonzept finde ich im Groben und Ganzen eine gelungene Sache (und ist sicher auch noch ausbaufähiger). Schade, dass es das britische Publikum anscheinend nicht so aufgenommen hat…

    Bleibt nur zu hoffen, dass es eine Fortsetzung gibt. Wie das jedoch ohne EB aussehen soll… ?

Antwort schreiben

XHTML: Du kannst die folgenden XHTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen